Segel Log: Von Kuba nach Mexiko

Als wir Cayo Largo und Kuba verlassen, sind wir nicht allein. El Russo, der Mitarbeiter des Schildkrötenzentrums, hat uns zwanzig frisch geschlüpfte Schildkröten mitgegeben. Wir packen sie in ein Tupperware und tragen sie zurück auf Mabul. Dann legen wir ab und segeln von Kuba nach Mexiko. Die Winzlinge lassen wir einen nach dem anderen in Küstennähe ins Meer plumpsen. Mögen sie ein aufregendes, langes Leben ohne Haibegegnungen haben!

Schildkrötenauswilderung bei Start der Reise von Kuba nach Mexiko
Schildkrötenauswilderung bei der Abreise

Mit sechs Knoten Fahrt und vollen Segeln kommen wir gut voran. Ab und zu erhebt sich zu Steuerbord eine kleine Insel aus dem Meer. Die Isla de la Juventud, die letzte, große kubanische Insel, sehen wir nur noch auf dem Chartplotter. Wir sind umgeben vom Blau des Meeres. Die erste Nacht vergeht ruhig und ereignislos. Erst am frühen Morgen sehe ich die Rückenflossen von Delfinen, die sich schnell in unsere Richtung bewegen. Ich wecke Alex und wir schauen den großen, grauen Tieren zu, wie sie vor dem Bug hin und her flitzen. Es müssen mindestens zwanzig Stück sein. Nach und nach verschwinden sie wieder, nur ein Jungtier bleibt zurück. Der Kleine scheint gar nicht zu bemerken, dass er allein am Bug ist. Immer wieder schießt er aus der Bugwelle an die Oberfläche, um dann blitzartig wieder abzutauchen. Dann erscheint ein Großtier, pfeift den Kleinen zurück und gemeinsam tauchen sie ab und verschwinden. Eine Szene, wie sie auf irgendeinem Spielplatz dieser Welt hätte stattfinden können.

Delfine begleiten uns ein kurzes Stück auf der Fahrt von Kuba nach Mexiko
Delfine begleiten uns ein kurzes Stück

Eine Stunde später, Alex hat sich wieder hingelegt, knallt der Traveller zur Seite. Ein Block ist aus der korrodierten Verankerung gerissen. Der erste Schaden bei dieser Überfahrt von Kuba nach Mexiko. Ich mache eine kurze Notreparatur. Alex wird den Block später wieder fixieren und ihn auf die lange Liste der zu bestellenden und zu flickenden Gegenstände setzen. Am Nachmittag höre ich das Sirren der Angel und spüre den Widerstand auf der Leine. Hoffentlich kein Barracuda! Der Fisch kämpft, schießt nach links und rechts und da sehe ich ihn: Es ist ein neongelb leuchtender Mahi Mahi, mein erster überhaupt! Wir holen ihn an Bord, ich gieße einen Schuss Rum über die Kiemen, steche ihm das Messer in den Schädel und trenne die Hauptschlagader durch, um ihn dann in einem Eimer auszubluten.

Der Mahi Mahi ist ein eigenartiger Fisch. Mit seiner eingedrückten Nase sieht er aus wie ein Fisch, der zu viele Boxkämpfe unter Wasser verloren hätte. Mit dem schwindenden Leben verliert er auch seinen Neonglanz. Später, im Olivenöl gebraten, schmeckt er vorzüglich!

Karin hat ihren ersten Mahi Mahi gefangen auf der Fahrt von Kuba nach Mexiko
Karin hat ihren ersten Mahi Mahi gefangen

In der zweiten Nacht lässt der Wind fast gänzlich nach. Wir befinden uns zwischen Kuba und Mexiko. Auf dem Chartplotter sehen wir die Containerschiffe, die mit dem Golfstrom nach Norden oder gegen ihn Richtung Süden fahren. Da die Segel kaum stehen bleiben und wir kaum noch Fahrt machen, würde ich die Maschine anwerfen und auf direktem Weg zur Isla Mujeres nach Mexiko tuckern, Alex aber will den Wind suchen. Alex ist der Skipper und so fällt er auf einen südlicheren Kurs ab. Schon stehen die Segel wieder und nach kurzer Zeit nimmt der Wind zu und wir machen 6 Knoten durchs Wasser.

Als meine Schicht am frühen Morgen beginnt, segeln wir bereits wieder Richtung Norden, oder besser gesagt: wir werden vom Golfstrom, der uns wie ein fliegender Teppich zu tragen scheint, voran geschoben. Dann stirbt der Wind wieder komplett und wir müssen nun definitiv den Motor anwerfen. Während wir von Kuba nach Mexiko segeln, verbringen den Tag lesend. „The Motorcycle Diaries“ von Che Guevara für mich, „Mad man’s voyage“ von Peter Nichols, die Geschichten der wahrlich verrückten Männer des ersten Golden Globe Rennens, für Alex.

In der dritten Nacht drehen wir gegen Westen ab, verpassen jedoch den besten Zeitpunkt und kämpfen nun gegen den Golfstrom. Das bedeutet, dass wir bei 45 Grad Abdrift, vollen Segeln und mit Motor nur noch zwei Knoten Fahrt über Grund machen. Nun verstehen wir die vielsagenden Blicke von anderen Seglern, als wir ihnen erzählten, dass wir gegen den Golfstrom von Norden nach Süden segeln werden… Es ist ein Kampf.

Der erste Eindruck nach sechs Wochen Einsamkeit in Kuba: Massentourismus auf Isla Mujeres
Der erste Eindruck nach sechs Wochen Einsamkeit in Kuba: Massentourismus auf Isla Mujeres

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir uns stillschweigend verfluchen, den richtigen Zeitpunkt der Halse verpasst zu haben, sehen wir in der Ferne einen schmalen Streifen Land. Die ersten Sportfischerboote kreuzen uns und der schmale Streifen wird größer, wird zu einer Insel, auf der wir die Häuser, die dicht an dicht der gesamten Küstenlinie entlang stehen, ausmachen können. Als wir um den Nordstrand biegen, sehen wir eine Armada von Charter Katamaranen, beladen mit halbnackten, besoffenen Menschen, die wie Sardinen in der Dose auf dem Trampolin der Katamarane liegen. Frauen strecken ihre nackten Pobacken Männern mit Goldketten entgegen, Animateure schreien in Mikrophone: «Let’s have fun guys!»

Playa del Norte ist nur etwas für Hardcore Pauschaltouristen
Playa del Norte ist nur etwas für Hardcore Pauschaltouristen

Aus der Traum der einsamen, romantischen Insel! Isla Mujeres wie nur knappe 20 Jahre zuvor. Der danach folgende Turbo Tourismus hat seine Spuren hinterlassen! Und noch ahnen wir nicht, dass uns die Bürokratie hier, wie bisher in keinem anderen Land, zum Wahnsinn treiben wird…

Zusammenfassung

Zurückgelegte Distanz: 360 sm
Fahrtzeit: 2 Tage 23 Stunden
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4,9 kn
Motorstunden: 17 Stunden
Schäden: Traveller Block Backbord ausgerissen

Verwandte Boatcast Episoden:

Teile diesen Post mit deinen Freunden!
Hat es dir gefallen? Nimm dir einen Moment und unterstütze uns auf Patreon!
Become a patron at Patreon!
Avatar-Foto

Veröffentlicht von Karin

Schreibe einen Kommentar