Montserrats spuckender Vulkan

Eine kleine, auf den ersten Blick unscheinbare, Insel in der Karibik abseits des Charter-Tourismus weckt unsere Aufmerksamkeit: Montserrat. Zwei Naturkatastrophen suchten die Insel in den vergangenen 30 Jahren heim, nun sind fast zwei Drittel der gesamten Insel Sperrgebiet.

Wir beschließen von Guadeloupe aus zum britischen Überseegebiet Montserrat zu segeln und brechen zusammen mit SV My Motu bei perfektem Segelwetter auf. Zuerst nehmen wir Kurs auf die Südostküste, genauer zum „Spanish Point“. Nach knapp 30 Seemeilen auf Raumkurs erreichen wir die Grenze des Sperrgebiets, näher als zwei Seemeilen dürfen wir nicht ran.

Ein gigantischer, pyroklastischer Strom hat am Spanish Point neues Land geschaffen

Hier sind mehrere pyroklastische Ströme des heute noch aktiven Soufrière-Hills-Vulkans in den Ozean geflossen und erstarrt. Das dadurch entstandene neue Land erstreckt sich fast 100 Meter von der alten Küstenlinie ins Wasser. So ganz begreifen, kann man auf den ersten Blick noch nicht, was sich hier zugetragen hat.

Da der einzige noch verbleibende port of entry „Little Bay“ an der Nordwestküste liegt, fahren wir eine Halse und dann an der Südküste entlang, bis wir den Kurs auf Halbwind anziehen, um der Westküste gen Norden entlangsegeln.

Schon bald rümpfe ich die Nase… Verfaulte Eier! Nein, Schwefel. Erst jetzt sehen wir Gaswolken aus dem Vulkan an vielen Stellen hervorsteigen. Später werden wir erfahren, dass das ganz normal hier ist….

Das ehemalige Pier Plymouths war einmal über 100 Meter länger

Als Plymouth, die ehemalige Hauptstadt Montserrats, in unser Blickfeld rückt, trauen wir kaum unseren Augen. Ein grauer Kegel erstreckt sich vom Vulkan bis hinunter zur Küste, dazwischen vereinzelte, verlassene Gebäude, die wie Rohbauten aussehen. Ein verheerender Ausbruch hat das einst belebte Städtchen 1995 unter einer mehreren Meter dicken Schicht aus Gestein und Asche begraben.

Unglaublicher Weise existierte dieses Städtchen so nur kurze sechs Jahre. 1989 fegte Hurricane Irma über die Insel hinweg und hat sie fast gänzlich dem Erdboden gleich gemacht. Plymouth existierte praktisch nicht mehr. In den folgenden Jahren wurde die Stadt neu aufgebaut, sie erstrahlte in neuem Glanz als der Vulkan erwacht. Fotos zeigen belebte Straßen, alles wirkt sehr europäisch.

Wir versuchen immer noch das Ausmaß dieser Zerstörung zu begreifen, als wir plötzlich von der Küstenwache Montserrats angefunkt werden. Sie kommen mit ihrem nagelneuen Motorboot angerast, drehen eine Runde um Mabul, dann wollen sie wissen, wer an Bord ist und wohin wir wollen. Nachdem sie unsere Daten haben, wünschen sie uns viel Spaß in Montserrat und ziehen gemächlich davon.

Die Coastguard auf dem Weg in den Feierabend

Als wir in der kleinen und schlecht geschützten Little Bay ankommen, hängt das Boot der Küstenwache bereits an einer Boje und die Jungs machen Feierabend. Wir waren wohl ihr einziger Job für heute. Nach einem ausgiebigen Abendessen fallen wir erschöpft in die Kabine und selbst das nervenaufreibende Rollen Mabuls in dieser Bucht raubt uns heute Nacht nicht den Schlaf.

Am nächsten Morgen gehe ich zur Einwanderungsbehörde und melde Mabul und uns offiziell an. Dann erledige ich kleinere Reparaturen, während Karin sich um einen Guide samt Sonderbewilligung bemüht, damit wir Plymouth in den kommenden Tagen besuchen können. Nach einigen Mühen hat Aagje von SV My Motu Glück und ein Guide ist bereit, uns schon morgen durch das Sperrgebiet und Plymouth zu führen.

Blick über Little Bay, hier soll einmal der neue Hafen entstehen

Ein Spaziergang an Land führt uns zum Nationalmuseum Montserrats. Dort lernen wir Vernaire kennen, die uns eine Privatführung durch das kleine, menschenleere Museum gibt. Hier ist unter anderem der Nationaldress, der an eine irische Tracht erinnert, ausgestellt. Denn es waren die irische Bewohner der Nachbarinsel St. Kitts, die im 17. Jahrhundert nach Montserrat umgesiedelt wurden, als die Spannungen zwischen Katholiken und Anglikanern im Mutterland die Karibik erreichten. Später kamen irische Einwanderer dazu und so wird heute noch St. Patrick während einer ganzen Woche gefeiert und auf dem Wappen von Montserrat ist ein Kleeblatt abgebildet. In der Ausstellungen kommen auch jene Männer und Frauen zu Wort, die die Insel berühmt gemach haben. Wer mehr zur Ausstellung und der Geschichte Montserrats wissen möchte, hört am Besten die BoatCast Episode 26.

Am Ende der Führung haben wir soviel miteinander gelacht, dass wir Vernaire spontan zum Abendessen auf Mabul einladen. Sie strahlt über beide Ohren und ruft sofort ihre Partnerin Alana an, damit sie auch dazukommt. Beide waren noch nie auf einem Segelboot, man vergisst zu leicht, dass das doch nicht etwas alltägliches ist. Das Museum ist inzwischen offiziell längst geschlossen, so treffen wir uns mit der Crew von SV My Motu, Vernaire und Alana zum Sundowner in der einzigen geöffneten Bar in Little Bay nur zehn Minuten später.

Sundowner in der einzigen Bar in Little Bay

Nach einem feucht-fröhlichen Abend auf Mabul mit interessanten Einblicken in die nicht einmal 3000 Seelen zählende Bevölkerung Montserrats brechen wir am nächsten Morgen auf, um in das Sperrgebiet zu fahren, um Plymouth aus nächster Nähe zu erleben. Auch hier sei auf die Episode 26 verwiesen….

Blick über verlassene Vororte Plymouths, die nicht direkt von den pyroklastischen Strömen getroffen wurden

Bevor wir Plymouth erreichen, gibt es noch einen ungewöhnlichen Zwischenstopp an einem etwas verwahrlosten Golfplatz. Unser Guide erklärt, dass dieser Golfplatz noch relativ neu sei. Vor dem Vulkanausbruch war hier kein Land, sondern eine große Bucht mit einem Betonpier. Alte Bilder zeigen einen kleinen geschäftigen Fischerpier, genau da, wo nun mehrere Golfbahnen liegen und Wasser bis rüber zu den Hügeln. Der einstige Pier, auf dem wir stehen, wirkt nun wie eine kleine Brücke.

Plymouth aus der Luft mit dem Vulkan im Hintergrund

Plymouth selbst ist von einer meterdicken Schicht aus Asche und Geröll bedeckt, einzig die oberen Stockwerke einzelner Gebäude sind noch sichtbar. Dazwischen holt sich die Natur bereits wieder alles zurück, das der Mensch nach dem Vulkanausbruch aufgeben musste. Es sind unwirkliche Eindrücke, wunderschön und erschreckend zugleich.

Die Einwohner waren damals, 1995, vorgewarnt und große Teile der Insel wurden evakuiert. So gab es insgesamt nur 19 Todesopfer zu beklagen. Der Vulkan brach auch danach immer wieder aus und die Lage bleibt bis heute angespannt. Der Vulkan ist weiterhin aktiv, wie uns ein Vulkanologe im Montserrat Volcano Observatory erklärt. Weiterhin wachsen immer neue, bis zu mehreren Hundert Metern hohe Gipfel im Krater, bis sie schließlich wieder kollabieren.

Die Natur erobert sich die Stadt zurück

Zwei Drittel der Insel sind bis heute Sperrgebiet und werden dies wohl noch für längere Zeit bleiben. Im verbleibenden nördlichen Drittel der Insel wird nun eine neue Hauptstadt errichtet, in sicherem Abstand zum Vulkan.

Nach dem Landausflug verbringen wir den Nachmittag auf Mabul mit Reparaturarbeiten, danach laden uns Vernaire und Alana zum Abendessen ein. Wir fahren mit den beiden wieder bis fast zur Grenze des Sperrgebiets, zu Uncle’s Place. Das lokale indische Restaurant ist Alanas Lieblingsort, tatsächlich bekommen wir ausgezeichnetes indisches Essen serviert.

In einer irischen Strandbar nehmen wir den letzten Absacker auf Montserrat. Zum Abschied bekommen wir von Vernaire noch eine Flagge Montserrats aus dem Museum geschenkt, weil wir keine an Bord hätten, meinte sie. Alana bringt noch eine Chilipaste und etwas Salat für Mabul.

Uncle schmeißt seit einigen Jahren ein indisches Restaurant auf Montserrat

Trotz dieser Naturkatastrophen und Unsicherheiten durch den aktiven Vulkan, scheinen die Bewohner Montserrats ein gutes Leben zu führen, nicht zuletzt wegen des Status als UK-Überseegebiet und der damit verbundenen finanziellen Unterstützung. Ohne diese wäre Montserrat wohl inzwischen menschenleer, meint Vernaire. Und Kriminalität sei auch kein großes Thema, jeder kennt jeden. Wohin sollte man schon mit einem gestohlenen Auto hier fahren?

Am nächsten Tag bereiten wir uns auf unseren Schlag nach Antigua vor und treffen uns ein letztes Mal zum Abendessen mit der Crew von SV My Motu, denn hier trennen sich nun unsere gemeinsamen Wege, zumindest fürs Erste. Sie wollen in die Bahamas segeln und dort möglichst viel Zeit verbringen, später aber auch Richtung Zentralamerika, wo wir uns in Guatemala wieder treffen wollen.

Also wer weiß, die Seglerwelt ist ein Dorf, vor allem wenn man am Ende der karibischen Perlenkette nach Westen abbiegt…

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Veröffentlicht von Alex

2 Kommentare

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