Einmal von Carriacou in den Süden Grenadas und wieder zurück, dann weiter Richtung Norden. So ungefähr lautet die Planung, als wir uns auf den Weg machen. Nach Grenada zurück müssen wir, um ein paar Bootsteile abzuholen, die uns Freunde netterweise aus UK eingeflogen haben, außerdem können wir bei einem anderen Segler fünf Opferanoden für unseren Problem-Prop abholen.
Tyrell Bay – Prickly Bay
Los geht es also aus der Tyrell Bay, Carriacou, Richtung Norden Grenadas, dann an der Luvseite Grenadas entlang in den Süden. Unser Tagesziel ist die Prickly Bay. Sie ist nur einen Steinwurf von Woburn Bay, wo alles begann, entfernt.
Wir setzen um acht Uhr am Morgen das Groß im ersten Reff, ziehen den Anker hoch und gleiten lautlos durch die noch ruhige Bucht, vorbei an gefühlt 100 Cruisern, die in der Tyrell Bay vor Anker liegen. Kurz darauf rollen wir die Genua bei 12 Knoten Wind komplett aus und gehen am Wind auf Kurs Richtung Nordwest Spitze Grenadas. Wir haben nun die nächsten Stunden den offenen Atlantik auf der Luvseite, und Grenadas meist schroffe Küste im Lee.
Die Vorhersage lautet: konstanter, moderater Ostwind bei bewölktem Himmel. Die Realität sieht etwas anders aus. Wir sehen ständig verschiedene Regensysteme, die sich um uns bewegen. Oder besser gesagt, wir bewegen uns um sie. Dabei bescheren sie uns ständig wechselnde Windverhältnisse, da Regenwolken immer viel Luft vor sich herschieben.
Sobald die eine Regenwolke über uns drüber gezogen ist und der Wind wieder abnimmt, sehen wir schon die nächste kommen, die wir wieder zu umfahren versuchen. Das bedeutet an Deck viel Arbeit: So behalten wir das Groß bis zum Ende im ersten Reff, rollen aber die Genua ein und aus, je nach Windstärke. Mabul bleibt erstaunlich ausbalanciert, so als wäre es ihr fast egal, ob die Segelflächen vor und hinter dem Mast ausgeglichen sind.
Während Mabul gelassen durch den Atlantik segelt, reiben uns die immer größer werdenden Wellen, die ständig wechselnden Winde und die Regengüsse auf. Wir suchen Schutz im Niedergang, bis der Regen vorbeigezogen ist und das Wetter aufklart. Doch mit dem Regen und den Regenwolken verlässt uns leider auch der Wind. Nachdem die Segel zwei Minuten lang nur noch Lärm statt Vortrieb machen, werfen wir den Diesel zehn Meilen vor unserem Ziel an und fahren unter Motor weiter.
Nach sechseinhalb Stunden und 38 Seemeilen kommen wir erschöpft in der Prickly Bay an, werfen den Anker und gehen schlafen. Nicht ganz, aber fast…
Life is a dance
In den drei Tagen bis zur Weiterreise erledigen wir am ersten Tag 1000 Dinge. Proviant aufstocken, Bootsteile kaufen, Cash holen und die Anoden abholen, sind nur einige davon. Nachdem alle Einkäufe wieder auf Mabul verstaut sind, treffen wir uns am Abend mit unseren englischen Segler-Freunden Kim und Ann, deren Nichte uns ein paar technische Spielereien und Bootsteile aus UK mit gebracht hat. Nach ein paar unglaublich starken Rum Punches fahren wir mit dem Dinghy im Zickzack-Kurs Mabul suchend nach Hause. Mit dem darauf folgenden Hangover beschließen wir: Etwas Entspannung muss dringend her.
So hängen wir uns für zehn US Dollar an eine Boje in der True Blue Bay. Die Boje gehört zu einem Resort und so dürfen wir die zwei Pools und die gesamte zugehörige Resort Anlage nutzen. Inklusive warmen Duschen! Bester Deal seit Langem. Nach zwei Tagen mit gutem Essen, langen Duschen, viel Pool und Entspannung packen wir wieder alles zusammen und schnüren das Dinghy auf Mabul’s Buckel.
True Blue Bay – Tyrell Bay
Am frühen Morgen setzen wir Segel und sagen Grenada damit zumindest fürs Erste Lebewohl. Das Ziel ist die, uns inzwischen sehr vertraute, Tyrell Bay. Sie bietet uns einen einfachen Ankerplatz für die Nacht und wir können hier ausklarieren, um dann weiter nach St. Vincent und die Grenadinen zu segeln.
Los geht’s am Morgen bei schönstem Wetter auf Raumkurs bei Südost Wind an der Südküste Grenadas entlang. Wir halsen an der Südwest Spitze und schaffen es dabei irgendwie einen großen, modernen Katamaran hinter uns zu lassen, der unsere Mabul auf Raumkurs eigentlich überholen sollte.
Der Wind dreht langsam auf Ost, und wir fahren am Wind direkt auf unser Ziel zu. Auf der Luv Seite Grenadas haben wir flache See und machen bei 13 Knoten Wind über sieben Knoten fahrt. Und das mit dem ersten Reff im Groß, so soll es sein!
Und dann… Flaute. Der Wind kommt nun sogar aus Nordwest mit zwei bis drei Knoten, verrückt. Wir kennen das Gebiet bereits und auch die Wettermodelle haben es korrekt vorhergesagt. Eine Umfahrung bedeutet allerdings mindestens 20 Meilen zusätzlich. Wir rollen die Genua ein, holen das Groß dicht und fahren unter Motor weiter.
Während wir bei absolut ruhiger See dahinschippern, sieht Karin eine halbe Seemeile entfernt seltsame Gischt und etwas Dunkles im Wasser. Ein Blick durch das Fernglas verrät: Wale! Es sind Wale, und zwar einige!
Sofort nehmen wir direkten Kurs auf Sie, wir fahren ja ohnehin unter Motor. Ein gutes Stück entfernt schalte ich in den Leerlauf und wir gleiten sanft mit zweieinhalb Knoten aus. Karin und ich stehen beide am Bug, der Autopilot übernimmt das Ruder, solange wir noch Fahrt machen. Wir kommen den Walen immer näher, die da scheinbar nur rumlungern und keine Anstalten machen sich zu bewegen. Karin zählt zehn Wale, vermutlich sind es mehr, es gibt noch eine andere Gruppe als die, auf die wir immer noch zuhalten. Wir sind zwar bedeutend langsamer geworden, aber nicht ganz so sehr, wie ich gehofft hatte. Einer der, wie wir später googlen, Pottwale taucht nur Zentimeter vor uns seitlich weg und verschwindet lautlos unter Mabul. Fast erwarte ich einen Zusammenstoß, aber der bleibt zum Glück aus.
Nachdem wir durch diese unglückliche Aktion das Grüppchen zersprengt haben, drehen wir ab und fahren mit großzügigem Abstand zu einer zweiten Gruppe ein paar hundert Meter entfernt. Ich kann es immer noch nicht so recht fassen, was ich da sehe. Ich liebe die Unterwasserwelt und versuche sie so intensiv wie möglich zu erkunden. Wale habe ich noch nie zu Gesicht bekommen, obwohl ich doch einige Zeit am, auf und im Meer verbracht habe. Gezielt gesucht, habe ich sie aber auch nicht.
Nachdem wir die Wale einige Zeit begleitet haben, nehmen wieder Kurs auf Carriacou und hoffen auf Wind, sobald wir die hohen Hügel von Grenada passiert haben. Nach fünf Meilen ist die Flaute vorbei, der Wind dreht wieder auf Ost mit konstanten 15 Knoten und wir genießen den Blick auf das vorbeiziehende Wasser. Unsere Gedanken hängen noch bei den Pottwalen.. Einfach fantastisch dieser Moment!
Wir segeln einen Traum Schlag bei langgezogener, aber recht hoher Welle. Mabul schneidet sanft hindurch und lässt sich mit dem kleinen Finger steuern. Wir segeln, ohne auch nur ein Manöver bis in die Bucht hinein und werfen nach fast genau 40 Meilen in Tyrell Bay wieder unsren Haken.
Schon morgen wollen wir hier ausklarieren und endlich unsere Reise Richtung Norden beginnen.