Die endliche Geschichte des Motors 2

Nachdem ich in den BVIs die akuten Probleme des Motors beheben konnte, brechen wir guter Dinge in die Dominikanische Republik auf. Es ist unsere bisher längste und schönste Passage. Dort angekommen meldet sich der Motor nach kurzer Zeit zurück und schreit nach Aufmerksamkeit. Ich komme dabei an meine Grenzen und willige widerwillig ein, einen Mechaniker an Bord zu holen.

Aber von Anfang an… Nach drei entspannenden Tagen in der Südwest Bucht von Peter Island in den Britischen Jungferninseln nutzen wir das Wetterfenster, um unter Segel an Puerto Rico vorbei bis in die Samana Bucht der Dominikanischen Republik zu kommen. Die Routenplanung sagt exakt 300 Seemeilen, macht bei unserem bisherigen Schnitt von 5,5 Knoten eine Dauer von ca. 55 Stunden. Wie immer runden wir etwas auf und gehen von 60 Stunden aus. Wir erwarten Nordost Winde mit 15 – 18 Knoten. Idealbedingungen könnte man sagen.

Ruhe und keine technischen Probleme in einer Bucht vor Peter Island

Wir lichten Anker um 8 Uhr morgens, der Motor schnurrt. Kurz darauf setzen wir die Segel und halsen unseren Weg heraus aus den BVIs. Schon nach der ersten Halse bemerke ich, dass drei Schlitten des Großsegels aus der Schiene geploppt sind. Nicht gut!

Wir bergen das Groß und ich nehme den Schaden in Augenschein. Die Schiene ist unterhalb der ersten Saling überall dort spröde, wo sich die Schlitten des Groß bei Vollzeug befinden. Auch sonst kommt das Kunststoffmaterial mit bloßem Fingernagel weg. Also ist nun auch unser Hauptantrieb nicht mehr voll einsatzbereit, aber das ist eine andere Geschichte. Kurzerhand setzen wir das Groß im ersten Reff, hier sind die Schlitten an unbeschädigten Stellen der Schiene. Das sollte halten, zumindest bis wir in der Dominikanischen Republik ankommen.

Das Groß ist wieder eingefädelt und ab jetzt im ersten Reff

Nach dem Zwischenfall segeln wir ohne weitere Probleme durch den Kanal zwischen Tortola und St. John (USVI) durch und bald dreht der Wind zu unseren Gunsten und wir segeln der Küste Puerto Ricos entlang. Es ist eine sehr ereignislose und damit angenehme und einfache Passage bis hinein in die Samana Bucht. Wir machen unsere gewohnten vier Stunden Schichten in der Nacht und es gibt keinerlei Probleme. Wir schlafen gut und auch das Kochen ist bei einer Welle von kaum mehr als einem Meter eine Leichtigkeit.

Unser Ziel ist die Puerto Bahia Marina, wo wir uns nach dem Nervenkrieg mit dem Motor etwas erholen wollen, so müssen wir nicht ins Hotel, haben aber die Annehmlichkeiten einer Marina. Es soll unsere erste Marina-Erfahrung überhaupt werden, und vermutlich hätten wir uns keine bessere Marina aussuchen können. Bei der Einfahrt am späten Nachmittag des dritten Tages der Überfahrt frischt jedoch der Wind auf. Der uns zugeteilte Slip liegt ungünstig und der Kanal dorthin ist eng und der Wind trifft Mabul direkt von der Seite.

Nach dem ersten Versuch hineinzukommen, breche ich ab und wir gehen direkt außerhalb der Marina vor Anker. Am nächsten Morgen fahren wir, ausgeschlafen und ohne Wind, in den Slip und machen Mabul fest. Aha, so fühlt sich Marina an, seltsam irgendwie.

Mabul schnuppert zum ersten Mal Marina-Luft

Eine Woche lang genießen wir alle Annehmlichkeiten, heiße, endlose Duschen an Land, Essen in Restaurants, Pools und ein Gym. Dann wird es langsam Zeit wieder aufzubrechen. Außerdem haben wir neue Gäste an Bord, Tobi und Dagi, langjährige Freunde von Karin und inzwischen auch meine. Als erstes wollen wir den Los Haitises Nationalpark erkunden. Hier wurde ein Teil von Jurassic Park gedreht, und man versteht auf Anhieb warum. Endlose Mangroven-Wälder und unberührte Natur. Einmalig! Nur das Wasser ist entsprechend grün und trüb.

Es ist ein Katzensprung unter Segel von der Marina zum ersten Ankerplatz. Von dort aus fahren wir die kommenden Tage unter Motor zu drei weiteren Ankerplätzen, jeweils nur 20 – 30 Minuten entfernt. Dabei stellt sich leider heraus, dass die wunderlicherweise gelösten Überhitzungsprobleme des Motors nicht gelöst sind. Schon nach jeweils 10 Minuten steigt die Temperatur auf Werte, die mich die Geschwindigkeit drosseln lassen. Beim zweiten Umzug sehen wir wieder schwarzes Wasser aus dem Auspuff kommen. Verdammt!

Immerhin schnurrt der Außenbordmotor verlässlich wie ein Kätzchen

Weiter erschwerend kommt dazu, dass die maximale Drehzahl immer weniger wird. 1200 Umdrehung sind noch drin, gebe ich mehr Gas, kommt nur mehr schwarzes Wasser. Das kann nicht gut sein. Und irgendwie muss das mit der Überhitzung zusammenhängen.

Ich fange abermals an, das Problem zu googlen, dort ist die Rede von unsauberer Verbrennung, verursacht durch verschmutzten Luftfilter, verschmutzten Dieselfilter, kaputte Einspritzpumpe und vieles mehr.. Also checke ich den Luftfilter, sieht gut aus, auch ohne Luftfilter bestehen die Probleme weiterhin. Die beiden Dieselfilter tausche ich gegen Neue, das war eh (bald) fällig.

Nach dieser Maßnahme nimmt der Motor zumindest ausgekuppelt wieder besser Gas an und dreht bis 2500 hoch, das Kühlwasser bleibt klar. Immer noch 500 zu wenig, aber so viel habe ich ihm noch nie entlockt. Die Freude hält nur kurz an, bis wir wieder unter Last fahren. Ab 1300 Umdrehungen sehe ich weißen Qualm oder Dampf und die Temperatur steigt. Ab 1500 Umdrehungen kommt schwarzes Wasser. Also doch keine Verbesserung feststellbar. Luft- und Dieselfilter waren es also auch nicht.

Man kann meinem Gesicht ablesen, wie schlecht der Motor funktioniert

Wir fahren für eine Nacht zurück zur Marina, bleiben aber vor Anker. Wir brauchen ein Despachio nach Isla Saona, ohne dieses darf man sich in der Dom Rep nicht bewegen. Bei der Anfahrt zum Ankerplatz schafft Mabul kaum mehr als 2,5 Knoten Fahrt unter Motor, langsam wird die Sache kritisch, wenn nicht gefährlich.

Um Isla Saona zu erreichen, werden wir die berühmt berüchtigte Mona-Passage durchqueren. Immerhin in der günstigeren Richtung von Nord nach Süd, aber nichtsdestotrotz kann sich hier eine gewaltige Welle aufbauen, da der Meeresboden einen Sprung von mehreren 100 Metern auf ein paar 10 Meter macht und entsprechende Strömung herrscht. Das Wetterfenster sieht aber gut aus und wir wagen es mit der Gewissheit, dass der Motor kaum zu brauchen ist.

Wir bleiben unter Segel, komme was wolle

Am Ende prügeln wir Mabul fast 36 Stunden gegen den Wind, Tobi und Dagi sind, seit wir aus der Samana Bucht ins offene Meer gesegelt sind, seekrank und liegen flach. Alles nicht so schön. Die Welle ist uns aber gutgesonnen, auch wenn ein unglücklicher Moment reicht, dass eine Toilette bei Benutzung aus der Verankerung gerissen wird. Zwischenzeitlich verlässt uns der Wind ein wenig, wir dümpeln mit 3 Knoten vor uns hin, an Motoren ist aber aus bekannten Gründen nicht zu denken…

Dann frischt dank Regenfällen der Wind wieder auf, dreht sogar zu unseren Gunsten und wir erreichen Isla Saona um Mitternacht des nächsten Tages. Zum Ankern reicht die Motorleistung noch, auch die altersschwachen Batterien konnten wir am Leben halten. Ach ja, normalerweise verwenden wir unseren Dieselgenerator zum Laden der Batterien bei Nachtschlägen, aber der hat zu dieser Zeit 1000 Probleme und ist nicht funktionsfähig. Wieder eine andere Geschichte..

Kristallklares Wasser im Süden von Isla Saona

Wir verbringen herrliche drei Tage vor Anker in kristallklarem Wasser vor einem verlassenen weißen Sandstrand, unsere einzigen Nachbarn sind Kim und Victoria und ihre zwei Töchter von SV Alexandria. Sie haben wir auf der Fahrt hierher über Funk kennengelernt, auch sie kämpfen mit Motorproblemen. Dann stellen wir noch fest, dass die Membran unseres Wassermachers den langen Stillstand in der Marina nicht überlebt hat. Aber auch das ist ein anderes Kapitel im Buch der vielen Bootsprobleme….

Nach zwei Wochen setzen wir Tobi und Dagi in La Romana ab und machen uns auf den Weg nach Boca Chica, dort gibt es die Marina Zarpar und einen angeblich fähigen Mechaniker und dorthin haben wir auch ein neues Sailtrack, die kaputte Leiste, an der wir das Segel am Mast hochziehen, aus den USA hinbestellt. Ich bin am Ende meines Wissens und übergebe inzwischen gerne das Motorproblem an einen Profi.

Da konnten wir noch lachen: Der Wärmetauscher, den wir nach St. Maarten bestellt hatten und glaubten, ihn noch lange nicht einsetzen zu müssen

Ein Ass habe ich noch im Ärmel, und zwar einen nagelneuen Wärmetauscher und Wet Exhaust Elbow. Letzterer mischt das Seekühlwasser mit den Abgasen und ist ein weiteres klassisches Ersatzteil. Aufmerksame Hörer und Leserinnen wissen, dass wir beides nach St. Maarten importiert hatten. Leider hängt auch der filigrane und empfindliche Turbolader an beiden Teilen, so dass ich es nicht alleine wage, die Teile zu tauschen. Außerdem wurde das laut Vorbesitzer mit diesem Motor noch nie gemacht, daher weiß ich nicht einmal, ob ausreichend Platz im Motorraum vorhanden ist, um den Wärmetauscher zu wechseln, ohne den Motor aus dem Boot nehmen zu müssen.

Nach zwei kurzen Zwischenstopps nehmen wir Kurs auf Boca Chica, besser gesagt Marina Zarpar. Der Mechaniker ist bereits für den nächsten Tag gebucht, wenn man das so sagen kann. Wir segeln also bis vor den Kanal, die Marina liegt hinter einem Riff und ist nur durch einen engen Kanal erreichbar. Als ich den Motor starte und die Leerlaufdrehzahl zum Warmlaufen etwas erhöhen will, stelle ich fest: 800 Umdrehungen, mehr geht nicht mehr! Wir bergen die Segel, ich gebe Vollgas, also so viel bis die maximale Drehzahl unter Last erreicht ist: 1,8 Knoten. Ja ok, das reicht nicht, mit Wind und Strömung und vielleicht noch weniger Drehzahl auf dem Weg. So fahre ich da nicht rein!

Das zweite Mal wird Mabul abgeschleppt

Also ans Funkgerät: „Zarpar, Zarpar, Zarpar, we need to get towed in, no engine!“ Schon wieder, wir werden abgeschleppt. Nur dieses mal wissen wir, wie der Hase läuft, irgendwie kann man es dann genießen. Schwer zu beschreiben. Jedenfalls ziehen uns die lokalen Jungs bis ans Dock, und sie haben Spaß dabei!

Spätestens jetzt wird klar: Die Ursache all unserer Motorprobleme muss gefunden und behoben werden! Mabul ist nun sicher am Dock festgemacht und bald darauf hören wir am Funk: „Mabul, Mabul, Mabul this is SV Alexandra, we want to come into Zarpar, but our draft is 3 meters“. Ja scheiße, laut Seekarte ist die minimale Tiefe bis hierher 2,5m, die Tide gerade eher niedrig als hoch. Aber Kim und Viktoria versuchen es trotzdem, wir sind bereit, um mit dem Dinghy zu helfen. Unser Tiefenmesser hat im Kanal lange Zeit komplett versagt, da so viel Sargassum und Dreck im Kanal treibt, dass der Ultraschall nicht bis zum eigentlichen Grund durchdringt. Am Ende ziehen sie ihren Kiel ein gutes Stück durch den Schlamm, zum Glück haben sie keinen Fels oder Koralle getroffen. Sie machen direkt vor uns fest und wir gehen zusammen Abendessen in der Marina.

Am nächsten Morgen grüble ich im Bett, wie wir jetzt schnellstmöglich den Mechaniker auf Mabul bekommen, da klopft es schon. Jose Luis, der Mechaniker, ist da, mitsamt seinem Gehilfen. Super netter Kerl, aber wieder mal nur Spanisch sprechend. Ich komme mir wieder vor wie der letzte Idiot, aber zum Glück beherrscht Karin die Sprache und übersetzt meine Fehlerdiagnose bzw. was ich ausschließen kann. Da wir jetzt schon jemanden fähigen hier haben, soll auch der neue Wärmetauscher und Wet Exhaust Elbow montiert werden. Kann nur helfen, denke ich.

Da kommt der Patient an Deck, ganz ohne Motor rausnehmen

Er will, dass ich den Motor starte und Vollgas gebe. Ok, mach ich zähneknirschend. Von dem, was er sagt versteht ich gar nichts, Karin leider auch nur die Hälfte, da Motorteile-Vokabeln verständlicherweise nicht zu ihrem Repertoire gehören. Ich übergebe ihm die nagelneuen Teile, und er lässt nichts anbrennen, innerhalb zwei Stunden ist der alte Wärmetauscher und das andere Ding abmontiert und damit wird auch die Ursache aller Probleme offensichtlich. Der Wet Exhaust Elbow ist so dermaßen korrodiert, dass die Abgase des Motors kaum noch entweichen können. Aus einer ursprünglich 5 cm durchmessenden Öffnung ist faktisch nichts mehr übriggeblieben. Komplett verstopft mit Rußablagerungen und abgebrochenen, rostigen Brocken von irgendwas.

Mechaniker Jose Luis mit dem Wet Exhaust Elbow, der wirklich gar nicht mehr gut aussieht

Ich lerne, dass die Symptome von „Motor bekommt keine Luft“ denen von „Motor kann kein Abgas abführen“ identisch sind. Macht Sinn. Ich lasse die zwei Männer werken und sie packen an, als gäbe es kein Morgen mehr. Nach nicht einmal fünf Stunden sind die beiden massiven Teile getauscht, das Gehäuse des Turboladers von Rost befreit und alles wieder zusammengesetzt. Jetzt gibt’s noch einen Kaffee, dann heißt es: „Starte den Motor!“ Ok, mach ich. Jose Luis gibt sofort Vollgas, der Motor dreht auf 3000 hoch! Wow, unglaublich, aber wir sind ausgekuppelt. Sowas in der Art hatte ich schon einmal, wenn auch mit etwas weniger Drehzahl.

Es zeigt sich noch, das eine oder andere Leck, viele Schläuche wurden ab- und wieder anmontiert. Nachdem das alles angezogen und trocken ist, heißt es wieder: „Starte den Motor!“ Jose Luis gibt wieder Vollgas und ist sichtlich zufrieden, ich traue der Sache noch nicht so ganz. Ich will einen Lasttest.

Gesagt, getan, Mabul ist ja fest ans Dock gebunden. Ich kupple ein und steigere langsam die Drehzahl bis auf Vollgas, 3000 Umdrehungen, bei drehendem Propeller. Natürlich bewegen wir uns nicht, aber bei der Menge an Wasser die an Mabuls Heck wegströmt, bleibt mir die Luft weg. Das habe ich so noch nicht gesehen. Wir bleiben zirka zehn Minuten auf Vollgas, um die Motortemperatur zu beobachten. Konstant 80 Grad, so wie es sein soll. Auch unglaublich wie viel Wasser aus dem Auspuff kommt und zwar klares Wasser!

Zum Abschluss gibt’s noch einen Kaffee und ein Ständchen für Mabul von Mechaniker Jose Luis

Die Gasannahme ist direkt und unmittelbar! Der Klang des Motors gut, Temperatur auch. Wow! Endlich verstehe ich was die Ursache der Motorprobleme (abgesehen von der defekten Lichtmaschine) von Anfang an war. Das Abgas konnte nicht richtig entweichen, aber jetzt ist der Motor wie neu. Nur 1500 Stunden hat er auf der Uhr, das ist die Jugend eines Dieselmotors. Der Turbo setzt wie gewünscht ein, alle Probleme gelöst und das mit den Teilen, die wir seit St. Maarten mit uns rumfahren….

Noch etwas habe ich aus dieser Erfahrung gelernt, es gibt überall Menschen, die wissen, wie der Hase läuft! Ich hätte noch Wochen oder Monate gebraucht, bis ich das gemacht hätte, was für Jose Luis, der so viel Erfahrung hat, ein Leichtes war. Ich bin ihm zutiefst dankbar, und auch jetzt, Wochen nach dieser Aktion, läuft der Motor wie er soll. Überhitzung und schwarzes Wasser ist Geschichte. Und sollte es wieder kommen, weiß ich was zu tun (oder zu bestellen) ist….

Die neue Schiene, noch ahne ich nicht, wie viel Schweiß und Fluchen nötig sein wird

Auch die Schiene unseres Großsegels habe ich hier erfolgreich getauscht, alle Antriebe Mabuls funktionieren wieder auf Top Niveau. So motoren und segeln wir erfolgreich und ohne Probleme bis nach Cabo Rojo, an den westlichsten Punkt der Dominikanischen Republik, um von dort aus den großen Sprung nach Kuba zu wagen.

Zusammenfassung

Zurückgelegte Distanz: 824 sm
Fahrtzeit: 5 Tage 18 Stunden
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,2 kn
Motorstunden: 29 Stunden

Weitere Fotos aus der Dominikanischen Republik findest du hier: Samana Bucht und Südküste.

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Veröffentlicht von Alex

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