3. Juli 2025

Bootsprojekte auf dem Trockenen

Bootsprojekte Hurricane Saison 2024 Teil 2

Eigentlich sollte dieser Blogeintrag schon im Dezember erscheinen. Aber wie so oft kam das Leben dazwischen – oder genauer gesagt: Mabul, mit immer neuen Baustellen. Schreiben stand weit unten auf der Prioritätenliste. Jetzt, ein halbes Jahr später, klappt’s endlich. Besser spät als gar nicht, wie man so schön sagt….

Hinter mir liegen sechs Wochen Heimaturlaub – Zeit mit Familie und Freunden, in meiner Heimat Bayern und in der Schweiz. Nach so langer Zeit hat mich das Wiedersehen mit Karin besonders gefreut. Wochenlang nur Telefonate und Nachrichten, jetzt endlich wieder gemeinsam im selben Raum. Kein Bildschirm, keine Zeitverschiebung. Einfach echt. Aber ich erleide auch absoluten Kulturschock, nach so langer Zeit auf See wieder in der westlichen Gesellschaft zu sein. Ich komme nicht wirklich klar. Reintegration? Eher weniger. Seit über fünf Jahren war ich nicht mehr nennenswert in Deutschland, und so sehe ich alles aus einer neuen unbekannten Perspektive. Vor allem die Natur mit Bergen, Mischwald, Seen und Flüssen ist einfach unglaublich faszinierend. Dann wird es nach schönen und anstrengenden Wochen abermals Zeit Abschied zu nehmen. Wieder trennen sich unsere Wege und ich kehre nach Panama, auf Mabul, zurück, um die Trockendock Projekte in der Hurricane Saison 2024 zu beginnen.

Die Schweizer Berge von ihrer schönsten Seite

Wenn Du den ersten Teil noch nicht gelesen hast, findest Du ihn hier.

Mein Gepäck ist haarsträubend. Achterstag, Gehäusedeckel Generator, Kettennuss und Kupplung für Ankerwinde, eine halbe Winsch und unzählige Kleinteile habe ich dabei, insgesamt um die 80 Kilo Bootsteile. Natürlich erweckt soviel Metall im Gepäck die Neugier des Zolls und ich muss die Hosen runterlassen, oder zumindest die Taschen öffnen. Ein kleines Drama bahnt sich an, da die Beamten schon fast Feierabend haben und ich keine einzige Rechnung dabei habe. Ich höre schon wieder zu oft „mañana, mañana„, aber dann schaffe ich es doch noch, mich mit zwei willkürlichen Rechnungen auf Deutsch freizukaufen. 200 Dollar kostet mich der Spaß, wie hoch der Anteil der Bestechung ist, ist kaum festzumachen. Aber immer noch besser, als eine Nacht in Panama Stadt zu verbringen und am nächsten Tag fast genauso viel zu zahlen… So erreiche ich spät in der Nacht endlich die Turtle Cay Marina, wo Mabul tatsächlich noch schwimmt.

Mabul an ihrem Liegeplatz in der Marina

Während meines Heimaturlaubs habe ich auch meine Beziehung zu Mabul überdacht – und generell, wie ich meine Zeit auf dem Boot verbringe. Ich will mehr Raum schaffen: für mich, für Karin und für Dinge, die nichts mit Reparaturen zu tun haben. Damit die Bootsprojekte nicht wieder alles bestimmen, will ich strukturierter und entspannter priorisieren. Die erste Frage lautet: Kommt Wasser rein? Sinkt das Boot? Wenn nicht, kommt das Thema auf die Liste und nicht sofort auf den Tisch. Das hilft, den Überblick zu behalten und nicht jeder Kleinigkeit hinterherzulaufen.

Außerdem will ich künftig konsequent eins nach dem anderen erledigen. Kein Multitasking mehr. Das bringt nur Unruhe, Verzögerung und Frust. Wenn ich eine Sache abschließe, ist der Kopf frei für die nächste. Und die Motivation bleibt erhalten. Ich versuche auch, regelmäßige freie Tage einzubauen, so etwas wie ein Wochenende. An denen wird nichts Neues angefangen. Stattdessen räume ich auf, koche, kümmere mich um Kleinkram oder lasse einfach mal alles liegen. Das tut gut, und Mabul hält das aus.

Jeden Tag genieße ich den einsamen Strand und gehe schwimmen

Kurz nach meiner Rückkehr auf Mabul steht auch für mich fest: Wenn Karin zurückkommt, soll das Boot in einem fertigen Zustand sein. Das mit Abstand wichtigste und aufwendigste Projekt sind die ausgeschlagenen Ruderlager. Sie müssen ausgebaut, vermessen, neu angefertigt und wieder eingebaut werden. Bei Mabul ist das allerdings nur an Land möglich, da das Steuerrohr unterhalb der Wasserlinie endet. Also ist klar: Vor Karins Rückkehr muss das Boot noch einmal aus dem Wasser – und wieder zurück. Eigentlich plane ich auch eine Reise nach Kolumbien. Aber das Risiko, dadurch in Zeitdruck zu geraten oder das Projekt aus dem Blick zu verlieren, ist mir zu groß. So verschiebe ich die Reise bewusst, um sicherzugehen, dass Mabul fertig ist, wenn Karin ankommt.

Bevor ich jedoch zur Panamarina aufbreche, um Mabul an Land zu heben, will ich noch einige offene Projekte in der Turtle Cay Marina abschließen. Denn solange das Boot schwimmt, ist das Leben an Bord deutlich angenehmer: Die Toilette funktioniert, der Kühlschrank läuft, und die Temperaturen bleiben erträglich.

Mit neuer Energie starte ich in die ersten Schritte – ganz entspannt und ohne Hektik, eins nach dem anderen. Ich ziehe in Ruhe das neue Achterstag hoch, montiere die reparierte Winsch, ersetze den gerissenen Relingsdraht und erledige noch einige andere Nebenprojekte. Es fühlt sich gut an. Keine neuen Baustellen, keine unerwarteten Probleme, sondern einfach nur noch zusammenbauen.

Der zerbrochene Rotor der Ölpumpe

Das erste große Projekt, das ich wieder in Angriff nehme, ist unser leckender Generator. Er liegt seit Monaten unberührt in der Baxkiste, zerlegt und mit Riss im Gehäusedeckel. Natürlich kommt es, wie so oft, dicker als erhofft, und das obwohl ich eigentlich alle benötigten Teile aus Deutschland mitgebracht habe. Aber auch der äußere Rotor der Ölpumpe hat sich in drei Einzelteile zerlegt, da muss Ersatz her. Obendrauf stelle ich fest, dass ich beim Bestellen einige Spezialstopfen und Passstifte übersehen habe. Immerhin kann ich mit einer dünnen Edelstahlhülse die Kurbelwelle reparieren, damit der Simmering am Antrieb der Wasserpumpe wieder auf einer sauberen Dichtfläche läuft. Jetzt heißt es warten, bis die fehlenden Teile eintreffen. Der Generator kommt vorerst zurück in die Baxkiste – bis zum nächsten Versuch.

Dann mache ich mich an die Fehlersuche beim Bugstrahlruder. Es tut einfach nichts mehr. Schnell wird klar: Dem bidirektionalen Hochstromrelais ist die Salzwasserdusche auf dem Weg nach Cayo Albuquerque doch schlechter bekommen, als zunächst gedacht. Die Bolzen, die sich in den beiden Hubmagneten bewegen und die elektrischen Kontakte schließen, sind komplett festkorrodiert. Das eigentliche Problem: Ich kann die Gehäuse der Hubmagneten nicht einfach öffnen, um die Bolzen wieder gängig zu machen. Sie sind verschweißt, und ohne Schweißgerät lassen sie sich danach nicht wieder zusammensetzen. Und für Schrauben oder Ähnliches ist schlicht kein Platz. Aber dann ist da Jaco. Seit Wochen schweißt er mit stoischer Ruhe an seinem eigenen Boot herum. Vielleicht kann er mir helfen.

Nach dem Öffnen des Hubmagneten kommt der feste Bolzen zum Vorschein

Jaco schaut sich das Ganze kurz an und sagt sofort: „Klar, mach ich dir – dauert ein paar Minuten!“ Also schleife ich beide Hubmagneten mit dem Winkelschleifer auf und beginne mit der kompletten Restaurierung. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die gesamte Relaiseinheit beim Hersteller stolze 500 Dollar kostet – da lohnt es sich etwas Arbeit reinzustecken. Zuerst entroste ich die Teile gründlich mit Salzsäure, dann setze ich alles sorgfältig wieder zusammen. Die Stahlbolzen gleiten nun wieder geschmeidig in ihren Führungen. Schließlich punktet Jaco die Gehäuse in wenigen Minuten sauber und präzise wieder zusammen.

Zum Testen verbinde ich die einzelnen Hubmagneten direkt mit der Bordbatterie: KLACK – KLACK. So kraftvoll sind die Bolzen noch nie an den mechanischen Anschlag geknallt. Fantastisch. Ich setze die komplette Einheit wieder zusammen, bastle noch einen Spritzwasserschutz aus einem alten Kanister und montiere das Ganze zurück an den Motor des Bugstrahlruders. Der finale Test: Dreht sich der Motor zuverlässig in beide Richtungen? Ja! Damit ist dieses Kapitel abgeschlossen – und Mabul hat ein funktionierendes System mehr. Besonders für die baldige Durchfahrt durch den Panama Kanal ein beruhigendes Gefühl.

Es geht ins Wasser zum Propeller putzen

Bevor ich mit Mabul zur Panamarina segle, um die ausgeschlagenen Ruderlager zu tauschen, steht noch die letzte Aufgabe auf dem Plan: Der Propeller muss vom Bewuchs befreit werden. Und nach über vier Monaten Stillstand im Wasser hat sich dort ein kleines Riff gebildet. Zum Glück ist das Wasser ausnahmsweise halbwegs klar, und ich kann mir von Matt einen langen Schlauch mit Lungenautomaten leihen. Die Tauchflasche kann so an Deck bleiben, und ich habe alle Zeit der Welt, um Propeller und Welle gründlich sauberzukratzen.

Für die Überfahrt zur Panamarina begleitet mich Matt. Der Törn ist zwar kurz, aber zu zweit ist vieles entspannter – besonders beim Festmachen an der Boje oder falls unterwegs doch etwas passiert. Zwei Tage später legen wir ab. Mabul gleitet langsam durch den engen Kanal der Marina, hinaus ins offene Meer. Wind ist kaum vorhanden, also fahren wir knapp drei Stunden unter Maschine. Kurzzeitig frischt es auf, ich setze die Genua. Es tut gut, ein volles Segel zu sehen, auch wenn es nur für einen Moment ist.

Flaches Wasser und wenig Wind auf der Überfahrt

Die Überfahrt verläuft ruhig und problemlos, und kurz vor Mittag liegt Mabul sicher an der Warteboje der Panamarina. Matt und ich gehen noch entspannt Mittagessen, dann spendiere ich ihm das Taxi zurück zur Turtle Cay Marina. Kaum ist Matt unterwegs zurück zur Marina, erscheint auch schon die Panamarina Crew. Zwei Jungs springen an Bord und übernehmen die Leinen, während der Dritte im Dinghy bleibt und mich beim Manövrieren unterstützt. Gemeinsam bringen wir Mabul exakt auf den unter Wasser wartenden Trailer. Keine fünf Minuten später steht sie an Land und bekommt den Bauch gewaschen.

Mabul wird aus dem Wasser geholt

Bevor Mabul an ihren Platz im Trockendock geparkt werden kann, muss noch das Ruder raus. Es wiegt rund 170 Kilo und ist riesig. Um genug Höhe zum Ausbau zu schaffen, manövriert die Crew Mabul rückwärts über die Böschung am Rand der Mangroven. Ich mache mich an die Demontage: Zuerst entferne ich den Quadranten – ein massives, halbmondförmiges Aluminiumteil, das direkt auf dem Ruderschaft sitzt, knapp oberhalb des Steuerrohrs. Über zwei Seilzüge ist er mit dem Steuersystem verbunden und überträgt jede Bewegung des Steuerrads auf das Ruderblatt. Sobald er abgeschraubt ist, hält nur noch der Sicherungspin ganz oben das Ruder an Ort und Stelle. Es ist bereits frei drehbar. Dann sichert die Crew das Ruder mit einem Netz und zwei Leinen, damit es beim Ausbau nicht plötzlich mit voller Wucht in die Mangroven rauscht, sobald der Sicherungspin entfernt ist. Wir heben das Ruder minimal an, um die Last vom Pin zu nehmen, und ich entferne ihn. Dann entspannen wir die Leinen, lassen langsam locker, und es passiert: nichts.

Der Sicherungspin hält eigentlich nur einen Edelstahlring ganz oben am Ruderschaft – und genau dieser Ring trägt das gesamte Gewicht des Ruders. Doch obwohl der Pin raus ist, sitzt der Ring bombenfest. Sofort stellt sich die Frage, warum sich der Ring nicht löst: Ist er auf ein Gewinde geschraubt oder schlicht durch Korrosion festgesetzt? Sanftes Zureden bringt nichts, also folgt Phase zwei: rohe Gewalt. Alles, was Hebelwirkung verspricht, kommt zum Einsatz. Es wird geschlagen, gequetscht, gedreht und gehofft. Aber der Ring bewegt sich kaum, nach über zwei Stunden schweißtreibender Arbeit hat er sich maximal um zwei Millimeter bewegt. Immerhin ist nun klar, dass kein Gewinde vorhanden ist. Dann hat die Crew Feierabend. Weiter geht’s morgen früh. Allein kann ich jetzt ohnehin nichts tun, außer regelmäßig Rostlöser auf die Verbindung zu träufeln und zu hoffen, dass er über Nacht etwas bewirkt.

Der Ring der nicht loslassen will

Am nächsten Morgen geht es mit frischer Energie und noch mehr Gewalt weiter. Nach haarsträubenden Szenen ist endlich der Ring ab. Kein Gewinde, kaum Korrosion, aber raue, zerkratzte Oberflächen waren der Grund. Und dann geht es ganz sanft, wir lassen das Ruder langsam und kontrolliert in die Mangroven sinken und es ist raus. Wow, was für ein Kampf. Aber es sollte nur das Vorspiel sein…

Nachdem Mabul an ihrem Platz im Trockendock steht und das Ruder daneben liegt, beginne ich mit der Einrichtung meiner kleinen Baustelle. Ich schließe den Wasserschlauch und den Landstrom an, packe das Faltrad aus, pumpe es auf – und sortiere alles aus der Gefrierbox aus. Der Inhalt wird kurzerhand an andere Cruiser verschenkt, denn die Box wird künftig als Kühlschrank herhalten müssen. Unser regulärer Kühlschrank funktioniert an Land nicht, da er über einen Wasserwärmetauscher gekühlt wird, effizient auf See, nutzlos an Land.

Das Ruder liegt neben Mabul

Und dann kann es endlich mit dem Ausbau der Ruderlager losgehen. Es sind keine gewöhnlichen Kugellager aus Metall, sondern einfache Kunststoff Hülsen. Mabul hat ganze drei davon – und alle sitzen bombenfest in ihren Lagersitzen. Also heißt es erst mal Werkzeug bauen. Ich konstruiere einen einfachen Abzieher aus Schrottteilen und einer langen Gewindestange im Zentrum, mit dem sich die Lager kontrolliert und ohne rohe Gewalt austreiben lassen. Ein ganzer Tag geht dafür drauf. Besonders das obere und mittlere Lager haben es in sich: Sie sitzen direkt beim Ruderquadranten, der nur durch eine enge Öffnung in der Achterkabine erreichbar ist. Der Zugang ist so schmal, dass ich gerade eben mit den Schultern hindurchpasse. Nach ein paar Anpassungen und Probeläufen funktioniert der Abzieher endlich wie geplant, und ich bekomme die Lager zerstörungsfrei heraus. Es ist heiß, eng und dauert ewig, aber am Ende des Tages halte ich die ersten beiden Lager in den Händen. Das untere Lager ist am nächsten Tag schnell erledigt – das Werkzeug ist bereit, der Zugang von außen einfach. Fast schon ein Selbstläufer.

Das untere Ruderlager beim Abziehen

Nun müssen die alten Lager vermessen und die neuen angepasst werden. Das obere Lager soll etwas länger werden, um den vorhandenen Lagersitz vollständig auszunutzen. Beim Unteren verändere ich die Position der O-Ringe leicht, da das Steuerrohr an der bisherigen Stelle leichte Korrosionsspuren zeigt. Die größte Herausforderung aber liegt in der richtigen Dimensionierung des Innendurchmessers – das Lager muss Temperaturschwankungen standhalten und darf trotzdem nicht zu stramm sitzen, sonst wird das Ruder schwergängig oder blockiert ganz. Hinzu kommt: Das verwendete Material, Delrin, quillt minimal auf, wenn es dauerhaft mit Wasser in Kontakt ist. Mein Kumpel Christian, promovierter Maschinenbauer, berechnet mir eine professionelle Lagerauslegung. Sein Ergebnis: 0,45 mm Lagerspiel – bei einer Temperaturdifferenz von 30 °C und einem Wellendurchmesser von 90,0 mm. Zur Absicherung hole ich mir Erfahrungswerte von einem alten Hasen vor Ort. Nelson, der Mechaniker meines Vertrauens, kommt auf nahezu denselben Wert: „Mindestens 0,40 mm“, sagt er, „aber auch nicht viel mehr.“ Perfekt – Theorie und Praxis sind sich einig. Ich zeichne die neuen Lager mit exakt 0,45 mm Spiel und entscheide mich für einen 0,7 mm zu großen Außendurchmesser, damit ich sie fest in ihre Sitze einpressen kann.

Dann übergebe ich meine Handzeichnungen und das Rohmaterial Nelson, der sich um die Fertigung auf einer CNC Maschine in Panama Stadt kümmert. Nur so kann ich sicher sein, dass meine geforderten Toleranzen eingehalten werden.

Während ich auf die neuen Lager warte, kümmere ich mich um ein weiteres Großprojekt: Der alte Riss oberhalb der Kielfuge achtern ist wieder da. Ich hatte ihn in Bocas del Toro reparieren lassen – damals war ich mit der Ausrichtung des Motors voll ausgelastet. Jetzt rächt sich das. Wieder einmal zeigt sich: Bei Booten ist „machen lassen“ selten eine gute Idee. Also schnappe ich mir den Winkelschleifer und verwandle Laminat in Staub, bis vom Riss nichts mehr zu sehen ist. Ich gehe tief ins Material, um wirklich alle geschwächten Bereiche zu entfernen, und arbeite bewusst auch in die Breite, damit der Neuaufbau eine möglichst große Haftfläche bekommt. Die alte Reparatur war deutlich kleiner angelegt, dazu mit viel Spachtelmasse – keine gute Kombination an so einer kritischen Stelle.

Das neue Laminat ist fertig, nun kann geschliffen werden

Ich will hier gar nicht zu sehr ins Detail gehen – die Arbeit ist wie immer: Schadstelle vollständig ausräumen, dann neu aufbauen. Ich laminiere mit einem hochwertigen Epoxidharz und gewebten 400er Glasfasermatten, um maximale Festigkeit zu erreichen. Insgesamt zieht sich der Aufbau über drei Tage, da ich nicht alles auf einmal auftragen kann. Zu viel Material auf einmal würde beim Aushärten zu heiß und könnte Spannungsrisse verursachen. Zum Schluss schleife ich die neue Laminatschicht glatt und versiegle alles mit Coppercoat.

Im Zuge der Laminierarbeiten nehme ich mir auch kleinere Stellen am Bug vor: rund um das Bugstrahlruder bessere ich ein paar beginnende Osmosestellen aus. Und auch beim Coppercoat arbeite ich nach – überall dort, wo die Schicht über die Jahre zu dünn geworden ist und der Primer bereits durchschimmert. Mabuls Coppercoat hat schließlich auch schon über 20 Jahre auf dem Buckel.

Nachdem ich unserem zickenden Autopiloten noch ein neues, deutlich dickeres Kabel verpasst und viele weitere Kleinigkeiten erledigt habe, bringt mir Nelson die neuen Ruderlager vorbei.

Die neuen Ruderlager sind exakt maßhaltig

Meiner Erfahrung nach ist Einbauen fast immer einfacher als Ausbauen. Nur diesmal nicht. Da die neuen Lager mit leichtem Übermaß eingepresst werden müssen, baue ich meinen Abzieher zunächst zu einem Einpresswerkzeug um. Ich beginne mit dem mittleren Lager, merke aber sofort: So funktioniert das nicht. Die zentrale Gewindestange meines Werkzeugs sorgt dafür, dass das Lager immer wieder leicht verkantet – es kippt weg und droht sich im Sitz zu verkeilen. Also der nächste Umbau: Ich ersetze die zentrale Gewindestange durch sechs Gewindestangen, gleichmäßig außen verteilt. So kann ich gezielt nachjustieren, sobald sich das Lager schief anstellt. Der zweite Versuch läuft besser, aber es funktioniert noch immer nicht. Ich bekomme das Lager einfach nicht sauber gerade in den Sitz angesetzt.

Die fünfte Version meines Werkzeuges

Vielleicht habe ich es mit dem Übermaß etwas zu gut gemeint? Vermutlich. Aber ich habe schon eine Idee: Das Lager wandert in den Tiefkühler des Restaurants. Bei rund –25 °C schrumpft der Außendurchmesser laut Christian um etwa 0,5 mm, genug, um das Übermaß beinahe auszugleichen. Damit sollte ich das Lager zumindest sauber ansetzen können – notfalls sogar ohne Werkzeug.

24 Stunden später hole ich das Lager aus dem Gefrierfach und eile so schnell es geht zurück zu Mabul. Dann krieche ich wieder in das enge Ruderquadranten-Verlies. Tatsächlich gelingt es mir, das tiefgekühlte Lager per Hand einige Millimeter vollkommen gerade in den Sitz zu drücken. Anschließend treibe ich es mit einem Nylonhammer vorsichtig weiter ein – bevor es sich durch die Erwärmung wieder ausdehnt und nicht mehr rührt. Für die letzten 20 Millimeter kommt dann das modifizierte Einpresswerkzeug zum Einsatz. Dieses Mal funktioniert es einwandfrei. Klar, mit sechs Gewindestangen dauert es sechsmal so lang – aber dafür sitzt das Lager perfekt und hat den Einbau unbeschadet überstanden. Bei den beiden anderen Lagern gehe ich genauso vor – und diesmal läuft alles wie geplant. Am Ende des Tages sitze ich zufrieden im Restaurant und erzähle meine Ruderlager Räubergeschichten bei einem Bier.

Das mittlere Lager ist fertig eingepresst

Am nächsten Tag stellt sich mir die naheliegende Frage: Wie genau ist der Innendurchmesser der frisch eingepressten Lager jetzt eigentlich? Mit dem Messschieber komme ich nur schlecht an die tiefliegenden Lager heran – eine verlässliche Messung ist so kaum möglich. Nach kurzem Grübeln gehe ich zu Jack, der einen 3D Drucker besitzt und seine Dienste für andere Cruiser anbietet. Er druckt mir noch am selben Tag eine Prüfscheibe mit genau 90,45 mm Außendurchmesser. Die sollte – theoretisch – ganz leicht in die Lager gleiten. Doch was soll ich sagen: Durch das Einpressen hat sich der Innendurchmesser deutlich verengt. Die Scheibe geht nicht annähernd rein. Ich vermute, der Durchmesser liegt nun sogar unter 90 mm, so lässt sich das Ruder unmöglich einbauen!

Jetzt stellt sich die Frage: Was tun? Alle drei Lager wieder ausbauen und in Panama-Stadt nachbearbeiten lassen? Keine Option, das würde wieder Wochen kosten. Bleibt die Idee, die Lager von Hand aufzuschleifen. Aber schon bei dem Gedanken stellen sich mir die Nackenhaare auf. Erst lasse ich alles auf den Zehntelmillimeter genau anfertigen, nur um dann mit Schleifpapier dran rumzudoktern? Eigentlich auch keine Option.

Bis mir Jacks 3D Drucker wieder in den Sinn kommt, und mein Hirn sofort beginnt, ein neues Werkzeug zu entwerfen. Ein Aufsatz für die Bohrmaschine, mit dem ich die wenigen Zehntel gleichmäßig, sauber und kontrolliert ausschleifen kann. Die Idee: ein drehender Rotor mit minimalem Untermaß, in den ich Schleifpapier klemme. Kunststofflippen drücken dabei das Papier leicht gegen die Lagerinnenseite. Indem ich mehrere Lagen einspanne, lässt sich sogar der resultierende Durchmesser feinjustieren.

Das nächste Spezialwerkzeug, dieses mal aus dem 3D Drucker

Ich zeichne das Werkzeug am Computer in 3D, und noch am selben Tag startet Jack den Druck. Am nächsten Morgen drückt er mir das fertige Teil in die Hand. Sieht gut aus, jetzt muss es nur noch funktionieren. Ich beginne vorsichtig mit sehr feinem Schleifpapier und merke schnell: Das Prinzip funktioniert. Stück für Stück arbeite ich mich vor. Zwei volle Tage bin ich damit beschäftigt, gefühlt tausend Mal neues Schleifpapier einzuspannen – und zu schleifen, zu schleifen, zu schleifen. Dann endlich ist es so weit: Meine Referenzscheibe gleitet durch alle drei Lager, ganz ohne Widerstand. Die Innenseiten fühlen sich an wie poliert und sind absolut gleichmäßig. Und auch wenn ich mir ungern selbst auf die Schulter klopfe, das Ergebnis könnte kaum besser sein.

Am Ende zieht sich die ganze Operation – wie so oft – deutlich länger hin als geplant. Aus der anvisierten Woche werden vier, und die Reise nach Kolumbien ist damit endgültig gestrichen. Tag für Tag arbeite ich gegen die Uhr, denn Karin kommt bald zurück nach Panama. Erst zwei Tage vor ihrer Ankunft ist endlich alles erledigt: Die Ruderlager sind drin, das Antifouling bei den Reparaturstellen trocken und das Boot vorbereitet.

Das Ruder kurz vor dem Einbau, die Spannung steigt

Pünktlich zu Karins Rückkehr kommt Mabul am gleichen Tag zurück ins Wasser. Das Ruder wird unmittelbar vorher eingebaut, damit Mabul nur einmal auf den Trailer muss. Ein letzter Moment voller Spannung: Passt alles? Ist es leichtgängig, aber nicht zu sehr? Und vor allem – ist es dicht? Der Einbau klappt perfekt, das Ruder dreht sich leicht und egal wie fest ich daran zerre, ein Lagerspiel ist nicht mehr feststellbar. Dann gleitet Mabul ins Wasser, und ich werfe einen prüfenden Blick zum Steuerrohr. Kein Tropfen, alles bleibt trocken. Ich sitze erleichtert im Cockpit und genieße das sanfte Schaukeln Mabuls. Karin kommt nur drei Stunden später an und ich bringe sie mit unserem Dinghy auf Mabul.

Hinweis: Orange markierte Links sind Affiliate-Links. Wenn du darüber etwas bei Amazon kaufst, erhalten wir eine kleine Provision für unsere Bootskasse – ohne Mehrkosten für dich.

Anzeige: 50,- € Rabatt mit Code „Sailingmabul“

Verwandte Boatcast Episoden:

Anzeige: 50,- € Rabatt mit Code „Sailingmabul“

Teile diesen Post mit deinen Freunden!
Hat es dir gefallen? Nimm dir einen Moment und unterstütze uns auf Patreon!
Become a patron at Patreon!
Avatar-Foto

Veröffentlicht von Alex

Schreibe einen Kommentar