Zurück auf Mabul! Zeit für eine kurze Rückschau.
2024 ist das Jahr, in dem wieder alles anders kommt. Es ist auch das Jahr einer Bootsauszeit. Als wir im Januar in San Blas in Panama ankommen, denken wir noch, wir würden kurz darauf durch den Kanal fahren und mit unseren Freunden von SV My Motu über den Pazifik segeln – doch das tun wir nicht. Alex hat nächtelang Albträume und träumt ständig davon, dass unser Mast bricht. Wir hören auf sein Bauchgefühl und bleiben auf der Karibikseite – wie sich später herausstellte: zurecht. Hier unsere Rückschau auf 2024.
Mabul lassen wir für ein paar Tage in der Turtle Cay Marina auf der Karibikseite und besteigen als Linehandler an Bord von SV My Motu. So bekommen wir einen Vorgeschmack auf die Kanalpassage. Aufregend ist diese Passage von Anfang an. Wer mehr dazu und zum Panamakanal erfahren möchte, der findet den Artikel dazu hier als PDF Dokument zum Download.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir entscheiden uns, den Pazifik um eine Saison zu verschieben. Weder wir noch Mabul sind für diesen größten aller Ozeane bereit. Stattdessen wollen wir in die Bahamas segeln, doch auch dieser Plan scheitert grandios. Wenige Stunden nachdem wir mit unserer Freundin Lea an Bord in Panama abgelegt haben, Mitten in der Nacht, haben wir Wasser im Boot und müssen in Cayo Albuquerque, einer kleinen kolumbianischen Militärbasis vor der Küste Nicaraguas, notankern. Obwohl die Enttäuschung und Wut über die neuste Panne anfänglich groß ist, wird dieser Stopp zu einem der schönsten seit wir auf Mabul leben. Mehr zu den Soldaten, den Drogenschmugglern und Flüchtlingshelfern, die wir dort kennen lernten, findet ihr in unserem BoatCast.
Nach drei Wochen auf Albuquerque kehren wir mit dem ersten Wind zurück nach Panama. Dort, in einer Sandfloh-verpesteten Werft neben dem Swedish King of Drugs machen wir Mabul in Bocas del Torro wieder segeltüchtig. Doch kaum schwimmt sie wieder und wir Kurs auf Jamaika nehmen wollen, stellen wir fest, dass das Ruder Spiel hat und die Lager getauscht werden müssen – unser nächster Plan löst sich in Luft auf. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Alex in einem veritablen Boots-Burnout. Er, der seit mehr als zwei Jahren Mabul ohne größere Pausen am Laufen zu erhalten versucht, ist am Ende seiner Kräfte und schafft es nicht einmal mehr, einen Schraubenzieher anzufassen. Wir entschließen, Mabul in die Turtle Cay Marina zu legen und nach Jamaika zu fliegen. Wir brauchen eine Bootsauszeit. Eine richtige Entscheidung. Jamaikas Reggae-Szene, die frische Luft der Blue Mountains und ein fünftägiges Magic Mushroom Retreat öffnen uns wortwörtlich neue Türen, Einblicke und Kraftquellen.
Fest steht: So können wir nicht weitermachen und sicher nicht über den Pazifik segeln. Wir sind beide am Ende unserer Kräfte und Nerven. Alex hat zwar eine viel innigere Beziehung zu Mabul, als ich sie habe, aber ich leide jedes Mal mit, wenn ich Alex im Bootsstress sehe und das passiert in den letzten zwei Jahren sehr häufig. „Bitte finde eine neue Beziehung zu diesem Boot! Keine, wie mit einer Geliebten, die dich aussaugt und von der du trotzdem nicht lassen kannst, sondern eine, mit gesunder Distanz, in der du dich nicht bis zum letzten aufopferst.“ Das ist meine Bedingung, um weiterhin auf dem Boot zu bleiben und mit Alex und Mabul über den Pazifik zu segeln. Denn seit wir auf Mabul gezogen sind, haben wir eine Dreiecksbeziehung, wobei Mabul Alex komplette Aufmerksamkeit und Liebe bekommt und ich seinen Stress. Mir reicht es. So entschließe ich mich Mitte Juni, ein halbes Jahr in die Schweiz zu gehen, eine Bootsauszeit zu nehmen. Alex will bei Mabul bleiben, sich um sie kümmern und seine Beziehung zu ihr überdenken.
Das zweite Halbjahr 2024 ist unsere Segelpause. Diese Zeit verbringen wir hauptsächlich getrennt, was uns allen Dreien ganz guttut, weil man bekanntlich mit etwas Abstand oft klarer sieht. Alex bleibt bei Mabul in der Turtle Cay Marina und beginnt sich langsam durch seine 130 Punkte ToDo Liste zu arbeiten. Ich will mich um meine Baustellen kümmern. Seit dem Ende meiner Korrespondenz in Asien im Frühling 2022 bin ich im Sabbatical, aber offiziell angestellt von SRF, einem Unternehmen, für das ich seit 2009 arbeite. Als Asien-Korrespondentin hatte ich meine eigene, alles vereinnahmende Beziehung mit diesem Job und Unternehmen und weiß, dass das für Angehörige und Freunde nicht immer einfach war. Das Leben auf dem Meer hat mich verändert. Ich bin nicht sicher, ob ich wieder in solchen Strukturen arbeiten will oder ob ich meine Prioritäten vielleicht anders setzen sollte. Und gibt es hier draußen auf dem Meer nicht vielleicht mehr zu lernen, als in einem Büro? Pazifik oder klassisches Arbeitsleben? Bevor ich mich entscheide, will ich nochmals zurück zu SRF, um zu sehen, wie sich die Arbeit im Mutterhaus anfühlt und ob es richtig ist, die Sicherheit von SRF gegen die Freiheit und Unberechenbarkeit auf dem Meer einzutauschen. Auch meinen Hausrat, der inzwischen aus Thailand zurück in die Schweiz verschifft worden ist, muss ich noch angemessen unterbringen. Zudem vermisse ich meine Freunde und meine Familie, Theater, Konzerte, Tanz und Landabenteuer. Die zweite Hälfte 2024 steht deshalb für Alex und mich nicht nur im Zeichen einer Segel- und Bootsauszeit, sondern auch im Zeichen von Aufräumen, neu Definieren, Kraft Tanken.
Obwohl Alex weiterhin ununterbrochen an Mabul arbeitet, lernt er mehr Pausen einzulegen, Mabul auch einmal die kalte Schulter zu zeigen, auch wenn sie schreit und klagt. Zeitweise wird er auch von Martin von SV Aracanga unterstützt, da Martin, Rikki, Kira und Naja ebenfalls in die Turtle Cay Marina kommen, um ihr Boot für den kalten Süden Chiles flott zu machen. Ich tauche derweil bei SRF Investigativ in der Schweiz tief in die Welt des Recherche-Journalismus und der komplizierten Großunternehmens-Strukturen ein. Fast ein halbes Jahr recherchiere ich zum Thema private Sicherheitsfirmen in der Schweiz. Den Podcast dazu findest du ab dem 6. Januar bei News Plus Hintergründe. Auch für meine Möbel finde ich eine neue Heimat und ich verbringe jede freie Minute mit Freunden, meiner Familie, in den Bergen, im Theater oder tanzend. Eine rundum volle und reiche Zeit. Pazifik oder Büroleben? Die Antwort ist nach einem halben Jahr im Büro klar: Pazifik!
Innerlich aufgeräumt, geistig und Herz-genährt und ohne Job, kehre ich Mitte Dezember nach Panama zu Alex und Mabul zurück. Eine logistische Herausforderung habe ich allerdings noch zu bewältigen: Wie würde ich mein Riesengepäck von vier Eincheck-Gepäckstücken nach Panama bringen?
Das hat eine Vorgeschichte. Als wir mit dem Pazifik-Traum zu liebäugeln begannen, hatten wir uns überlegt, was wir dafür bräuchten. Für mich war klar: Kochen bei starkem Wellengang, wenn wir wochenlang auf dem blauen Wasser sind, war unmöglich. Deshalb kamen wir auf die Idee mit der Astronautennahrung, gefriergetrockneter Nahrung, die wir nur mit heißem oder kaltem Wasser anrühren müssten. Ich schrieb diverse Hersteller an und fragte sie, ob sie unser Pazifik-Projekt unterstützen wollten. Frau Klose von Travellunch reagierte sofort. Sie und ihr Mann würden uns mit einer großen Ladung Travellunch versorgen. Was für ein Segen! Wir stellten eine Liste von Menüs zusammen: Beef Stroganoff mit Reis, Couscous, Gemüserisotto, Kartoffel-Lauch Topf, gefriergetrocknete Erdbeeren, Elektrolyte-Pulver…. Ungefähr 150 Kilo. Das war im Frühling 2024. Monatelang versuchte Travellunch danach die Palette nach Panama in die Marina zu schicken, doch da es sich um Lebensmittel handelt, war alles kompliziert. Als Alex im Herbst nach Europa kam und wir nach Augsburg fuhren, um die Firma von Travellunch zu besuchen, waren die Formalitäten endlich geklärt. Wir nahmen eine Kiste mit Menüs mit und testeten einen Abend lang mit Alex‘ Freunden die Mahlzeiten. „Tipptopp, damit kommt ihr durch jeden Sturm!“, so das Verdikt von Alex‘ Freunden.
Die Ware konnte jetzt also nach Panama verschifft werden, doch bald gab es ein neues Problem: um sie in Panama auszulösen, brauchten wir einen Agenten. Dieser rechnete uns vor, was wir noch alles zu bezahlen hätten: Gebühren und Beschleunigungsgebühren und viele Hände, die gewaschen werden mussten. Obwohl Travellunch uns großzügig die Menüs und den Transport sponsorten, hätten wir immer noch etwa 1000 US-Dollar für das letzte Stück des Weges ausgeben müssen. So entschieden wir uns für eine billigere, wenn auch mühsamere Variante: Ich würde so viel wie möglich per Übergepäck mit ins Flugzeug nehmen. Travellunch wollte die Palette zu meinen Eltern in die Schweiz schicken – doch es kam nicht an. Tagelang blieb es am Zoll hängen. Erst drei Tage vor meinem Abflug und einige wütende Anrufe und E-Mails an den Spediteur später, traf die Ladung im Hauseingang meiner Eltern ein.
Einen Tag lang packte ich die Leckereien in unterschiedliche Taschen. Mit vier Eincheck-Gepäckstücken à 23 Kilos und einem ziemlich schweren Handgepäck stehe ich schließlich am Schalter von KLM in Zürich. Als ich in Panama lande, fischt mich der Zollbeamte sofort raus, nachdem mein Gepäck durchleuchtet wurde. „Haben Sie Lebensmittel im Gepäck?“ „Ein wenig…“ „Machen Sie mal eine Tasche auf…“ Ich öffne eine Tasche. Sie ist voller Travellunch. Der Zollbeamte schaut mich kritisch an. „Sie wissen, dass Sie dafür eine Bewilligung brauchen?“ „Wirklich?“ „Hmmm…“ „Wissen Sie, wir leben auf einem Segelboot und segeln im kommenden Jahr über den Pazifik. Dort gibt es keine Supermärkte, wochenlang nur blaues Meer…“ Er schaut mich an. Wir lachen. „Adelante! Gehen Sie!“, sagt er und ich – ziemlich erleichtert – packe schnell alles auf einen Wagen und ziehe von dannen.
Apropos Gepäck: Vom Flughafen bis zur Panamarina, wo Alex das Ruderlager von Mabul geflickt hat, wird das Gepäck noch schwerer und das Taxi bis unters Dach geladen. Ich stoppe nämlich noch bei einem Supermarkt und fülle mit der Hilfe des Taxifahrers zwei Einkaufswagen mit Mehl, Pasta, Kaffee, Öl, Früchten und Gemüse. Abends um 21 Uhr erreiche ich erschöpft die Marina, Alex und Mabul. Alex fährt fünf Mal mit dem Dinghy vom Steg zum Boot, bis wir die letzte Tüte an Deck haben. Dann räumen wir zwei Tage ein. Unter jedem Bodenbrett befindet sich nun Travellunch….Er wird unser treuster Begleiter auf dem Pazifik sein.
PS: Im Oktober publizierte ich im Magazin der NZZ am Sonntag den Artikel „Über das Leben auf einem Segelschiff: Das (Alb-) Traumschiff“. Es ist eine ungeschönte Erzählung über unsere Beziehung zu Mabul und was sie mit unserer Beziehung machte. Den Artikel findet ihr hier auf der Webseite der NZZ. In ihrem Weihnachtsbriefing hat die NZZ den Text als einen der Artikel, „die uns im vergangenen Jahr besonders bewegt haben“, erwähnt.
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